17 Belastete Mädchen, coole Jungs?
Shownotes
Mädchen sind in der Schule erfolgreicher als Knaben – darauf verweisen Studien seit Jahren. Doch seit der Pandemie zeichnet sich ein bemerkenswerter Wandel ab: Während Mädchen nach wie vor bessere Leistungen zeigen, nehmen psychische Belastungen deutlich zu. Knaben wirken dagegen oft gelassener und lässiger, auch wenn hinter der vermeintlichen Coolness Risiken lauern. Doch nicht alle Mädchen sind belastet, und nicht alle Knaben sind locker drauf. Die Unterschiede innerhalb der Geschlechter sind grösser als zwischen ihnen. Empirische Daten machen allerdings nachdenklich. Die Zahl psychischer Erkrankungen ist bei Mädchen in den vergangenen Jahren um 26 Prozent gestiegen, bei Knaben lediglich um sechs Prozent. In dieser Episode beleuchte ich zusammen mit Dagmar Pauli (Stv. Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich) die Hintergründe und Herausforderungen solcher Entwicklungen.
Literatur Stamm, M. (2020). Smarte Mädchen, schwierige Jungen? In: Stapferhaus (Hrsg.), Geschlecht jetzt entdecken (S. 45-75). Zürich: NZZ Libro. Stamm, M. (2025, im Erscheinen). Belastete Mädchen – coole Knaben? Zwischen psychischen Krisen und Gamesucht. Erscheint in Aargauer Zeitung / Die Nordwestschweiz, 29.09.
Education to Go Konzeption: Margrit Stamm & Buero GDL.
Redaktion: Dominic Dillier & Margrit Stamm Layout: Dominic Dillier & Buero GDL Bild: cic Grafik: Orkan Design gmbh Weitere Informationen: www.margritstamm.ch / www.buerogdl.ch © 2025 Margrit Stamm / Education to go
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00:00:09: Der Podcast für alle, die an Bildung und Erziehung interessiert sind.
00:00:23: Heute geht es um die Frage belastete Mädchen, coole Jungs, also um zwei Rollenbilder, die sich wischab lohnen über einen Teil der Jugendlichen legen.
00:00:36: Heute habe ich eine besondere Person, Zugast, die mit ihrer Expertise sehr viel zum Thema beitragen kann.
00:00:45: Liebe Dagmar Paoli, herzlich willkommen und ich habe mich sehr gefreut, dass du zugesagt hast.
00:00:52: Ja, vielen Dank für die Einladung und ich habe mich natürlich auch sehr gefreut, dass du mich eingeladen hast.
00:00:58: Also ich kenne dich natürlich schon lange, du bist ja auch eine sehr bekannte Person und ich lese Sachen von dir und so weiter, aber dass wir das erste Mal was zusammen machen, das freut mich auch außerordentlich sehr schön.
00:01:08: Das ist
00:01:08: sehr schön.
00:01:09: Also liebe Dagmar, sag mal selbst, wie man dich bezeichnet.
00:01:14: Ja, also ich bin die stellvertretende Direktorin und Chefärztin.
00:01:20: Eigentlich habe ich die medizinisch-therapeutische Leitung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
00:01:28: Das ist so schwer zu sagen, dass es gut, dass ich das selber sagen soll.
00:01:31: Aber das
00:01:31: ist super, dass du das selber gesagt hast.
00:01:34: Liebe Dagmar, wir haben im Vorgespräch gesagt, dass wir mit etwas Persönlichem einsteigen wollen.
00:01:39: Das interessiert die Zuhörenden immer.
00:01:41: Du hast zwei erwachsene Kinder, drei sogar.
00:01:45: Du hast eines mehr als ich.
00:01:47: Mich würde als erstes interessieren, weil wir heute von diesen typischen Rollenbildern sprechen, ob du und dein Mann in der Reziehung eurer Kinder sich um Geschlechts- stereotypisches Aufwachsen bemüht haben?
00:02:04: Ich muss sagen, ich selber war nicht so ein typisches Mädchen für die damalige Zeit.
00:02:10: Heute würde man das wahrscheinlich gar nicht so untypisch finden, aber als ich aufgewachsen bin, war ich so eher wild und ehrgeizig und nicht so immer schöne Kleidchen und so weiter, nicht so typisch.
00:02:24: Und ich habe natürlich gedacht, ich will meine Kinder jetzt auch nicht so geschlechtstypisch erziehen, die sollen da alle Freiheiten haben.
00:02:31: Ich muss aber sagen natürlich im Nachhinein, es gibt so viele gesellschaftliche Einflüsse und man selber ist doch so geprägt, dass ich mir nicht rausnehmen würde, dass wir jetzt das geschafft haben, unsere Kinder ohne geschlechtsstereotypen zu erziehen, obwohl ich das schon ... Eigentlich für mich in Anspruch nehmen würde.
00:02:51: Ich habe mich bemüht herum.
00:02:52: Ich möchte meine Kinder nicht in solche Rollenschubladen pressen.
00:02:55: Das schon.
00:02:56: Das war auch unsere Absicht.
00:02:59: Und wir hatten zuerst eine Tochter, die hat sich sehr gut entwickelt.
00:03:04: Aber für mich, ich habe damals noch nicht studiert.
00:03:07: Ich hatte noch nicht sehr viel Wissen darüber.
00:03:10: Und dann haben wir unserer Tochter, als sie zwei war, eine Brio.
00:03:15: Eisenbahn geschenkt.
00:03:16: Also diese Holzeisenbahn in der Absicht, dass sie eben nicht unbedingt mit Puppen spielen sollte.
00:03:25: Und dann hat sie einmal, mag ich mich gut erinnern, eine Weiche genommen und hat dieser weiche Puppenkleider überzogen, dass es ausgesehen hat wie eine Puppe.
00:03:38: Und das hat mich eigentlich dann fast etwas schockiert, weil ich gedacht habe, Sie hat doch das weibliche in sich und wir sind mit unserer Vorstellung, dass man ein Kind atypisch oder geschlechtsneutral erzielen kann, sind wir doch nicht so auf dem guten Weg.
00:03:59: Aber sie hat dann eine sehr, sehr selbständige Laufbahn oder einen Lebensweg durchgemacht.
00:04:09: Zum zeigen, dass man als Eltern nicht immer mit den Absichten genau das erzielt, was man will.
00:04:17: Ja, und ich glaube, es ist ja auch nicht so, dass das ist ja auch eher so ein bisschen, das war jetzt interessant, was du sagst, weil das ist ein bisschen die oberflächliche Seite, ist dieser erste Teil, ja, was spielt sie jetzt mit Puppen oder zieht sie da der Priobahn, das ist ja einfach ein Ausprobieren.
00:04:32: Was ich glaube, ist, was wir selber nicht merken, dass wir unterschiedlich reagieren, wenn Kinder Dinge ausprobieren.
00:04:39: Und wenn jetzt, ich sage mal ein Beispiel, wenn ein kleines Mädchen so eine Handtasche von der Mama nimmt und die hochragigen Schuhe anzieht, wir das sehr herzlich.
00:04:47: Wenn das der Junge macht, dann fühlt man sich sofort anders.
00:04:51: Man will vielleicht nicht eingreifen als Eltern und sagen, das darfst du nicht, das ist doch nicht für Jungs.
00:04:55: Aber man fühlt sich anders.
00:04:56: Und ich glaube, die sensible Wahrnehmung, wo wir denn geschlechstypische Erwartungen haben und wo nicht, das ist das Wichtige.
00:05:04: Ich finde, nicht, dass man sagen soll, ja, die Mädchen sollen jetzt nicht mit Puppen spielen oder irgend sowas.
00:05:10: Das geht gar nicht darum, die zu beeinflussen oder nicht, sondern sensibel zu sein, was wir selber so für Vorstellungen haben.
00:05:18: Und wenn man dann etwas dem Kind aufdrückt, was nicht passt, das dann zu merken und nicht zu machen, das finde ich viel wichtiger.
00:05:25: Ja, das ist ein guter Einstieg in unsere Thematik.
00:05:31: Wir sprechen ja heute über belastete Mädchen und über sogenannt coole Jungs.
00:05:37: Wir sprechen also nicht über die Mädchen und über die Jungs, sondern von einer bestimmten Kategorie Mädchen, von einer bestimmten Kategorie von Jungen.
00:05:49: Diese Diskussion, zum das mal grundsätzlich festhalten, diese Diskussion, die kennst du wahrscheinlich sogar noch besser als ich, um Geschlechtsstereotypien, um die Frage, wie sich Kinder entwickeln sollen, die ist ja eigentlich nicht neutral.
00:06:06: Sie ist häufig hässig.
00:06:08: Sie ist manchmal alarmistisch, aber sie ist sicher nicht neutral.
00:06:14: Und wir versuchen nun, uns auf diese beiden speziellen Gruppen zu konzentrieren.
00:06:21: Und zwar aus einem Grund habe ich dich angefragt.
00:06:26: Weil ja schon seit vor der Pandemie und auch jetzt seit Nachhör nach der Pandemie zeigt sich, dass gerade Mädchen in Bezug auf die psychischen Auffälligkeiten, also die die Anzahl der psychischen Auffälligkeiten ist um fast sechsundzwanzig Prozent gestiegen.
00:06:46: Bei den Knaben sind es etwa sechs Prozent und auch du hast vielleicht sogar noch neuere Daten, dass auch das Stressempfinden sehr stark angestiegen ist.
00:06:59: Bei den Mädchen, die Juvenil-Studie von Jagds-Findation zeigt, ist in der obligatorischen Schule ca.
00:07:09: von ca.
00:07:09: seventy-fünf Prozent sogar an einer Hochschule.
00:07:13: Und bei den Knaben sind es sieben und dreißig Prozent bis sieben und fünfzig Prozent.
00:07:18: Und darüber möchten wir heute diskutieren.
00:07:23: Mich würde jetzt interessieren, nimmst du das auch so wahr, dass es vor der Pandemie schon und jetzt seit der Pandemie diese starke Entwicklung gibt, eben der Auffälligkeiten seitens der Mädchen und weniger offensichtlich der Jungen.
00:07:42: Ja, das hast du sehr schön gesagt, weil ich finde auch, ja, ich nehme das wahr, die Zahlen zeigen es auch gras klar, dass bei den Mädchen und das ist im Schnitt, du hast ja auch gesagt, wir reden über eine Untergruppe von gestressen belasteten Mädchen und die wird aber größer.
00:08:01: Das sind ja nicht alle, die Mehrheit ist immer noch... gesund.
00:08:05: Das ist schon so.
00:08:07: Aber die psychischen Auffälligkeiten, die nehmen zu bei den Mädchen in stärkerem Ausmaß und wir sehen es seit Corona akzentuiert.
00:08:14: Wir haben aber schon viele Jahre auf diese Krise aufmerksam gemacht.
00:08:17: Wir sind aber nicht so gehört worden.
00:08:20: Also in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zeigt sich ja dieser Anstieg von Notfällen, Belasteten vor allem Mädchen, aber auch Jungen ab elf, zwölf, dreizehn.
00:08:31: Also im Jugendalter sehr, sehr stark in den letzten zehn Jahre schon.
00:08:36: Und Corona hat das noch mal akzentuiert.
00:08:38: und das Gute daran ist, seit Corona wird es auch gehört.
00:08:42: Also die Öffentlichkeit hat es wahrgenommen und jetzt ist es ja in aller Munde.
00:08:46: Diese Krise von den psychisch belasteten Jugendlichen, die sich bei uns im Notfall zeigen mit Suizidalität, Selbstverletzung, Stresssymptomen, Angststörungen, Vermeidungsstörungen, Schulabsentismus, das ist so.
00:09:01: Auch Essstörungen, körperbezogene Störungen, das ist das, was am stärksten so im Zunehmen begriffen ist.
00:09:06: Betrifft das, was du jetzt aufgezählt hast, sowohl Mädchen als Jungen?
00:09:11: Oder ist das bei Mädchen sichtbarer und bei Jungen weniger sichtbar?
00:09:17: Ich glaube eher das Zweitere.
00:09:19: Es betrifft schon mehr Mädchen zahlenmäßig in unserem Notfall.
00:09:23: Was wir aber auch wissen, ist, dass die Mädchen andere Bewältigungsstrategien haben, wenn sie mehr Stress haben.
00:09:29: Also sie in den neuesten Stressstudien, die Projamentutestressdürde, zeigt auch, dass die Mädchen, vor allem die Adolescentenmädchen, die Jugendlichen so ab zwölf bis hin ins junge Erwachsenalter, mehr Stresssymptome.
00:09:44: ...angeben in den Befragungen.
00:09:46: Man fragt sich auch immer, geben Sie es mehr zu, weiß man auch nicht.
00:09:49: Aber sie geben mehr an.
00:09:51: Sie haben aber auch andere Bewältigungsstrategien, wenn man dann guckt, was ... Wie bewältigen Sie das?
00:09:57: Dann kommt bei den Mädchen viel weiter oben mit anderen Reden und sich Hilfe suchen.
00:10:02: Das ist bei den Jungs eher ganz unten.
00:10:04: Denken wir, die Dunkelziffer ist natürlich schon bei den Jungs auch höher.
00:10:08: Sie kommen erst, wenn die Symptome noch gravierender sind, sodass ich glaube, dass das bei den Jungen auch steigt, vielleicht nicht ganz so stark.
00:10:15: Aber wir müssen uns eigentlich um alle Geschlechter kümmern in dieser Hinsicht, glaube
00:10:20: ich.
00:10:21: Das beginnt, ja.
00:10:23: Ganz früh schon.
00:10:26: Diese Erziehung, diese Sozialisation beginnt ganz schon früh.
00:10:31: Und in der Erziehungswissenschaft, in der Bildungsforschung gehen wir davon aus, dass Mädchen heute sehr früh schon so erzogen werden, dass sie spüren, dass sie angepasst sind, dass sie sozial intäger sind, dass sie fleißig sind, dass sie zuverlässig sind, dass sie fürsorglich sind.
00:10:57: und Mädchen entwickeln sich dann, weil sie auch weniger revolutionär sind oder weniger widersprechend sind, dem älterlichen Erziehungsstil, dass die Mädchen sich auch in der Schule so verhalten.
00:11:13: Und alle Lehrpersonen sagen fast durchwegs, und das zeigen auch Studien, die Mädchen geben die Hausaufgaben pünktlich ab, die Mädchen sind strukturiert, sie sind zugetan und sie sind selbst organisiert.
00:11:31: Währenddem die Buben, das nimmt mich wunder, was du dann dazu sagst, das ist unsere erziehungswissenschaftliche Vorstellung, Während dem die Buben eher einen, schon früh in der Familie einen, würde ich sagen, einen Sympathiebonus haben.
00:11:47: Sie dürfen nachlässiger sein, wenn sie die Sporttasche packt, häufig die Mama.
00:11:53: Wenn sie die Schulaufgaben nicht machen, sagt man ja, das sind eben die Buben.
00:11:59: Wenn sie in der Pause Quatsch machen, sagt man ja, das gehört halt dazu.
00:12:05: Und meine Überzeugung ist eigentlich, wenn das so stimmt, wie man das sagt, dass eben die Buben dann gar nicht die Chance kriegen, sich früh schon selbst verantwortlich zu verhalten, sich selber zu organisieren und eben auch mit dem Lernen eine positive, zum Lernen eine positive Beziehung entwickeln können.
00:12:33: Ja, also ich glaube, Ich stimme eigentlich mit der erziehungswissenschaftlichen Perspektive auch irgendwie überein, weil ich denke, dass es ein Teil der Wahrheit ist, der, dass wir immer noch viel mehr, als wir denken, sehr unterschiedlich auf die Kinder reagieren, sowohl zu Hause in die Familie, also die Erziehenden zu Hause, Eltern schafft als auch in der Schule die Lehrpersonen.
00:12:58: Und das kann zum Vordernachteil von Mädchen und Buben sein.
00:13:02: Wir müssen uns dem mehr bewusst sein und mehr davon wegkommen.
00:13:04: Das ist ein wichtiger Teil.
00:13:06: Natürlich gibt es auch biologisch-genetische Unterschiede.
00:13:09: Die werden aber wahrscheinlich immer noch überschätzt, weil das ist ja sehr stark überformt durch diese ganzen Phänomene, die du vorher beschrieben hast.
00:13:17: Und wir wissen gar nicht, wie groß die Unterschiede sind.
00:13:21: dann am Schluss sein werden, wenn sich das jetzt immer mehr angleicht, weil wenn wir gucken, wie war es vor fünfzig Jahren, waren Unterschiede noch viel größer.
00:13:28: Damals hätte übrigens niemand gesagt, dass Mädchen von Natur aus strukturierter sind und Frauen hätte das sehr den Männern zugeordnet, hätte gesagt, ja Frauen sind so emotional, die können sich ja gar nicht so gut organisieren, die waren ja auch nicht so gut in der Schule damals.
00:13:43: Das hat sich verändert, weil eben diese Eigenschaften wie Fleiß und Bravheit und Strebsamkeit doch auch zu dem geführt haben, dass sie sich dann vielleicht da besser entwickelt haben.
00:13:53: Und das hat auch mit dem Umfeld zu tun.
00:13:56: Also ich würde die genetischen Unterschiede nicht unterbewerten, aber auch nicht wegdiskutieren.
00:14:00: Zum Beispiel Jung haben mehr ADHS oder das zeigt sich anders.
00:14:03: Das ist schon auch wahrscheinlich ein Fakt, so das stimmt.
00:14:08: Aber andererseits, glaube ich, wir können noch ganz, ganz viel machen.
00:14:12: Und da, glaube ich, jetzt kommen wir auf das zurück, dass man uns ja nicht vorwerfen soll nachher.
00:14:17: Ja, alle Mädchen so, alle Jungen so, das stimmt ja gar nicht.
00:14:20: Dieser Junge ist ja auch sehr strukturiert und sehr brav.
00:14:22: Und das ist ja so.
00:14:23: Also eigentlich müssen wir das Kind immer angucken.
00:14:26: Wir müssen immer gucken, was braucht dieses Kind?
00:14:29: und es gibt Kinder.
00:14:30: Häufig jung, sag ich mal, die brauchen einfach mehr Struktur.
00:14:34: Den muss man mehr Struktur geben, mehr Anforderungen von ganz klein auf und nicht so gewährend, wie du das beschrieben hast, weil dann entwickeln sie sich hin zur Unselbständigkeit.
00:14:45: Ja, Mama trägt mehr die Sachen nach.
00:14:48: Man, Mama, macht das ja ordnet ja meine Sachen oder so.
00:14:52: Oder Papa bringt mich ja dahin, wenn ich zu spät bin.
00:14:55: So, dann kommt diese Selbstständigkeit nicht und das müssen wir... allen Geschlechtern machen.
00:15:00: Wir müssen das Kind mehr angucken.
00:15:02: Was braucht das Kind?
00:15:04: Das ist, glaube ich, wichtig.
00:15:05: Es gibt auch viele Mädchen, da kommen wir jetzt dann hin.
00:15:08: Wie werden die denn so belastet?
00:15:10: Die sind so brav und so strebsam und das gefällt uns ja dann vielleicht auch, weil sie machen dann gute Noten.
00:15:15: Aber wir sehen zu wenig, dass sie sich vielleicht über anstrengen und zu wenig bei sich sind, zu wenig entspannt.
00:15:21: Und dann müsste man ja auch als Eltern merken, dieses Kind, egal ob jung oder Mädchen, häufiger Mädchen, aber braucht vielleicht ein bisschen mehr.
00:15:28: Spannung und ich sollte nicht immer so viel verlangen und das Kindliche und das vielleicht unbeschwerte ein bisschen mehr fördern.
00:15:35: das auch oder das muss gibt es auch.
00:15:37: diese Kinder.
00:15:38: und
00:15:39: du hast vorhin etwas sehr wesentliches gesagt dass ich aufnehmen möchte weil ich weiß dass sehr viele Lehrerinnen und Lehrer und Schulleitende zuhören.
00:15:50: es gibt ja im moment einen eine große Diskussion über das selbst organisierte Lernen in der Schule.
00:15:58: Und man möchte unbedingt, dass Kinder dieses selbst organisierte Lernen lernen.
00:16:06: Und meine Vorstellung ist die, dass Mädchen eben diese, die Grundlagen dafür eher mitbringen.
00:16:14: Und du hast vorhin gesagt, die Viele Buben, natürlich nicht alle, aber eben diese Gruppe, von der wir jetzt sprechen, die bringen das nicht sehr mit und die brauchen dann mehr Strukturen, mehr Anleitung, auch mehr Führung.
00:16:28: Und ich denke, das ist etwas sehr, eine wichtige Erkenntnis, die in den Schulen aufgenommen werden müsste, dass man eben nicht grundsätzlich davon ausgehen kann, dass Kinder die Grundlagen für das selbst organisierte Lernen einfach mitbringen, sondern dass man das je nach Kind, wie du sagst, sehr schön hast du das gesagt, muss man das stärker betonen, das Kind mehr anleiten oder weniger anleiten.
00:16:57: Ja, ich sehe das genau so.
00:16:59: Das ist ein sehr interessanter Punkt.
00:17:02: Und was Schwierig ist, glaube ich, heutzutage, weil wenn wir jetzt, dass diesen Gedanken weiterdenken, den du denkst, dann würden wir dazu kommen, ja, dann braucht ja jedes Kind vielleicht was anderes, ein unterschiedliches Ausmaß an Strukturierung und das ist ja ein unmöglicher Auftrag für die Lehrperson.
00:17:18: Es gibt Kinder, die sind früher besser gelaufen.
00:17:21: Die mit ARDHS und so, die konnte man ja, wie hat man das eigentlich geschafft in der großen Klasse mit Strenge und Struktur und so.
00:17:27: Jetzt sind die vielleicht unkonzentriert und das sind ja doch mehr Buben, die auch durch die Erziehung, dass zu wenig mitbekommen haben.
00:17:35: Das ist wirklich auch ein Teil des Problems.
00:17:37: Und das führt uns dann dazu, wie soll denn die Schule aufgebaut sein?
00:17:40: Das ist für jeden stimmt.
00:17:41: Man kann nicht für jeden ein extra Programm machen.
00:17:44: Aber ich glaube schon, man muss beides mitdenken.
00:17:47: Und das selbstorganisierte Lernen geht wahrscheinlich für einen Teil der Kinder sehr schnell und einfach.
00:17:54: Ich kann mich erinnern, eine meiner Töchter, die kam immer nach Hause und sagte, ja, ich mache jetzt mal meine Hausaufgaben.
00:17:59: Als erstes sind sie ja fertig und ich habe gesagt, was ist das denn?
00:18:02: Die hat das einfach so gemacht und die anderen jetzt nicht so.
00:18:06: Und die Kinder sind halt sehr unterschiedlich.
00:18:08: Und die hätten man wahrscheinlich da gleich in so eine selbstorganisierte Lernform tun können.
00:18:12: Und alles wäre super gewesen bei den anderen, aber nicht auch nicht nur geschlafen.
00:18:16: spezifisch, aber eben sie ist ein Mädchen typisch vielleicht und darum glaube ich, es geht eben nicht für alle.
00:18:23: Wir müssen wahrscheinlich einen Mittelweg finden und müssen uns überlegen, wie leiten wir denn die Gruppe, die die Voraussetzung nicht so hat, auch an, dass sie in das selbst organisierte Lernen dann hineinkommen, weil später brauchen sie es ja auch, wir brauchen sie je länger, je mehr.
00:18:37: Die Gesellschaft verändert sich, man muss da Homeoffice machen und was man sieht, da muss man sie auch selber organisieren und dann funktioniert es nicht.
00:18:44: Die Aufgaben werden ja eher anspruchsvoller.
00:18:47: Hinsichtlich Organisation in der Berufswelt, weil man ja die einfachen Aufgaben dann mehr so von KI und so weiter machen lassen kann.
00:18:54: Darum glaube ich, das ist eine sehr wichtige Fähigkeit, die man aber nicht lernt.
00:18:59: Und jetzt komme ich nochmal auf ein anderes Thema, die coolen Jungs auch nicht lernen, indem sie nur gaming.
00:19:04: Also man muss denen nur noch was anderes bieten.
00:19:06: Und wenn die es in der Familie nicht klappt, dann muss doch auch die Schule das anbieten.
00:19:14: Da bin ich sehr mit dir einig.
00:19:17: Ich möchte aber trotzdem noch auf etwas aufmerksam machen, das mir in den Schulen auffällt.
00:19:24: Es ist ja nicht nur das Wissen, dass einige Mädchen so sind, andere Jungen so oder dass man auf das Kind mehr fokussieren muss, sondern es sind ja auch die Vorurteile und vor allem die Haltung in den Schulen.
00:19:40: Und ich sage immer, man kann Strukturen in den Schulen verändern und die Haltung, wenn man die Haltung nicht verändert, bringt das nicht sehr viel.
00:19:50: Und ich möchte ein Beispiel erzählen, das ich glaube ich vor drei Wochen selbst erlebt habe und das eben so das Typisierende hineinbringt.
00:20:00: Es war eine Schulaufführung, bei der ich dabei war, Als Kinder eine Aufführung hatten, in der vordersten Reihe saßen ein paar Jungs und die haben Blödsinn gemacht.
00:20:14: Und dann ist eine Lehrerin oder eine Betreuerin zu diesen Knaben hingegangen und hat gesagt, wenn ihr nicht sofort aufhört, dann setze ich euch ein Mädchen dazwischen.
00:20:30: Was ist denn eine schlimme Drohung?
00:20:32: Ja,
00:20:32: aber ich denke, das hat eben mit Haltungen und Vordergeilen zu tun.
00:20:37: Und wenn du dann die wissenschaftlichen Erkenntnisse aufnimmst und dann trotzdem solche Haltungen externalisierst oder den Mädchen zeigt, das ist ja eine Self-fulfilling-Prophecy.
00:20:54: Das Mädchen sorgt für Disziplin.
00:20:59: Das
00:20:59: ist eben auch eine wichtige Erkenntnis, die mehr in die Schulen einfließen müsste.
00:21:07: Ja, also ich bin einverstanden, dass mit den Haltungen, ich möchte aber sagen, ich glaube, Wir sind nicht so auf einem schlechten Weg insgesamt, diesbezüglich.
00:21:19: Ich muss finden, man muss immer in größeren Zeiträumen denken und wenn wir gucken, wie war das vor hundert Jahren, wie war das für fünfzig Jahren mit den Vorurteilen, das hat ja abgenommen.
00:21:28: Ich glaube, das wird weitergehen dadurch, dass ja... die Mädchen und die Frauen jetzt auch erfolgreich sind, was dann manchmal auch beanstandet wird.
00:21:35: Jetzt haben sie halt mehr Erfolg in mancherlei Hinsicht, schulisch und so.
00:21:39: Aber dadurch kommen sie in andere Positionen, in andere Vorbilder, in denen es braucht halt Generationen, bis so was verblasst, sag ich mal.
00:21:47: Da sind wir auf dem guten Weg, aber ich finde es super, dass du das nochmal sagst, das muss uns auch bewusst werden, wo wir das immer noch haben, unsere Generationen mehr noch als die Jungen, aber auch die Jungen noch, das finde ich gut.
00:21:59: Aber ich möchte noch einen anderen Punkt gerne aufbringen und da bin ich mal gespannt auf deine Meinung.
00:22:04: Und zwar, ich sage immer, wenn wir... über solche Themen sprechen.
00:22:09: Also die Schule, die wenden sich an uns und sagen belastete Mädchen und Jungen, die Gamen oder die Schulabstände, sondern die kommen ja nicht und so weiter oder sind dann eben machen Unsinn und sind immer unruhiger.
00:22:21: Die, wie soll man jetzt damit umgehen?
00:22:22: Dann könnt ihr in der, die Psychologie und die Psychiatrie muss jetzt helfen und Therapie und Abklärung und so weiter.
00:22:28: Ich sage aber immer, die Schule muss nicht nur die Hilfe bekommen von uns, die Schule ist selber auch Teil des Problems.
00:22:37: Also einerseits die Einstellungen, das hast du ja jetzt schon sehr schön beschrieben, aber auch die Struktur, weil wir wissen ja von diesen Stressstudien, der Stress, Schulstress.
00:22:48: oder überhaupt Stress hat zugenommen.
00:22:50: Das hast du am Anfang gesagt.
00:22:51: Die Zahlen sind gestiegen.
00:22:52: Das kann ich bestätigen.
00:22:53: Und die neuen Studien zeigen, wenn man die jünglichen Fahrt, was stresst euch denn am meisten?
00:22:58: Vor allem die Mädchen, aber auch die Jungen, ganz oben steht.
00:23:02: Noten, Prüfungen, dann kommt Berufswahl, dann kommt Leistungsdruck und dann kommt, das hat mich auch schockiert, ich glaube, als zweites oder drittes, Terminstress.
00:23:11: Ja, bei dreizehnjährigen und so.
00:23:14: Also diese... Es ist schulische und gesellschaftliche Problem, von dem immer mehr Stress, immer mehr Belastung.
00:23:21: Und das zeigen die Studien, dass das steigt.
00:23:24: Ja, wie will die Schule denn dem begegnen?
00:23:26: Was wollen wir machen, dass es nicht so stressig ist oder sich anfühlt?
00:23:30: Sollen wir sagen, ja, die sind einfach nicht mehr resilient und die müssen jetzt mal gestärkt werden und die Schule bleibt, wie sie ist?
00:23:36: Oder ist Handlungsbedarf auch in der Schule?
00:23:38: Das ist so eine Frage.
00:23:40: Also du schneidest etwas sehr Wichtiges an.
00:23:44: Aber ich bin nicht sicher, ob es einfach die Schule ist, die diesen Leistungsdruck und diesen Stress erzeugt.
00:23:54: Ich habe relativ viele Referate, an denen Eltern anwesend sind und Lehrerinnen und Lehrer und Schulleitungen.
00:24:03: Und es ist fast jedes Mal so, dass Eltern den Schulen vorwerfen, Leistungsdruck zu erzeugen.
00:24:12: Und dann sagen die Lehrkräfte zurück, nein, die ihr Eltern seid, diejenigen, die von euren Kindern zu viel verlangt.
00:24:22: Also, ich denke, wir müssen da auch differenzieren.
00:24:26: Und ich habe eine Studie gemacht zu Hochleisterkindern.
00:24:30: Und da hat sich auch deutlich gezeigt, dass es nicht nur die Schule ist, die den Leistungsdruck erhöht, sondern oft sind es auch sehr.
00:24:40: anspruchsvolle Eltern, die gerne möchten, dass ihr Kind auf einen Wunschlevel kommt, den sie, den ihnen vorschwebt.
00:24:50: Und ich erinnere mich an Interviews aus dieser Studie, als Kinder gesagt haben, ich spüre so, wie meine Eltern enttäuscht sind von mir.
00:25:00: Also enttäuscht, dass ich nicht die Noten heimbringe, die sie eigentlich von mir erwartet haben, auch wenn sie mir Nachhilfe zukommen lassen.
00:25:13: Also ich glaube, wir dürfen nicht nur die Schule belasten, sondern es gibt heute auch einen Antrieb gewisser Eltern aus ihren Kindern mehr das Leistungspotenzial, sag ich mal, auszupressen.
00:25:30: Und das hat wahrscheinlich auch einen Einfluss.
00:25:33: Also ich denke, wir dürfen nicht alles nur auf die Schulen abschieben, sondern es gibt irgendwo verständlich, dass Eltern halt aus ihren Kindern etwas machen wollen und sie ihren dem besten Weg ebnen wollen.
00:25:48: Aber das ist teilweise auch ungesund, denke ich.
00:25:51: Ja,
00:25:52: also ich bin auch sehr einverstanden, dass Natürlich nicht.
00:25:55: Die Schule steht ja auch nicht alleine da und die Schule macht den Leistungsdruck.
00:25:58: Ich sehe es auch mehr so.
00:26:00: Ich glaube aber auch nicht einfach die Eltern.
00:26:03: Ich sehe bei den Jugendlichen, die sagen zum Beispiel oft, nein, nein, meine Eltern, die versuchen mich eher zu beruhigen.
00:26:10: Ich muss gar nicht so gute Noten haben.
00:26:11: Die gibt es auch.
00:26:12: Und trotz, ich bin das ja selber, dann geben die sich selber die Schuld, dass sie sich so einen Leistungsdruck machen.
00:26:18: Und das auch nicht richtig.
00:26:20: Und eigentlich ist das Ganze gesamtgesellschaftlich anzuordnen, weil ich sehe es ja auch zum Beispiel in der Klinik, also Mitarbeitende und überhaupt, dass der Stresspegel steigt.
00:26:33: Auch die Lehrpersonen sagen das ja.
00:26:35: Von sich, dass der Druck und der Stress steigt.
00:26:36: Also wir müssen doch als Gesellschaft und die Schule ist ja ein Teil dieser Gesellschaft überlegen.
00:26:41: Wie kann man dem entgegensteuern, dass alles immer besser, immer perfekter, immer doller sein muss?
00:26:45: Die Eltern sind ja auch nur ein Teil des Ganzen, wenn man dann hört, ja, die Aussichten sind schlecht und das muss gut und das muss gut.
00:26:52: Man hat ja eben mit ihr auch so konfrontiert mit diesen ganzen Ansprüchen, dass man dem vielleicht immer mehr in das reinkommt.
00:27:00: Also, ich glaube, alle müssen sich fragen, ja, wie können wir denn diese gesellschaftliche Leistungsdruckspirale auch wieder ein bisschen runterfahren und auch diesen Terminstress, wenn nicht zwölf, dreizehn, vierzehnjährige und die Mädchen, die sind eben empfänglicher für das, für dieses, oder, das alles dann erfüllen zu wollen im Schnitt, im Durchschnitt sind, die halt empfänglicher für das.
00:27:24: Aber es sind auch die Eltern, die ... gestresst sind.
00:27:28: Und es gibt eine amerikanische Studie, die deutlich zeigt, wenn man Kinder fragt, was möchtest du von deinen Eltern?
00:27:39: Also, was sollen Eltern besser machen?
00:27:43: Und wenn man dann Eltern fragt, was denken sie, was ihr Kind zu dem sagt, sagen alle Eltern, dass ich mehr Zeit habe für das Kind.
00:27:51: Und die Kinder sagen zu seventy-fünf Prozent, nein, dass meine Mama und mein Papa weniger gestresst ist.
00:28:00: Also ich denke, der Familienstress spielt eben auch eine große Rolle.
00:28:05: Also es ist nicht nur die Schule, die Stress macht, die Terminkindheiten der Kinder, dass sie fünf, sechs Termine haben pro Woche, sondern es kommt auch noch der Stress.
00:28:17: der Eltern dazu, der sich dann eben auch auf die Kinder überträgt.
00:28:22: Ich möchte gerne noch zwei Fragen stellen.
00:28:25: Eine Frage, die mich sehr interessiert und ich denke, die interessiert auch die Zuhörenden.
00:28:31: Wir haben jetzt von belasteten Mädchen gesprochen, von sogenannten vordergründig coolen Jungs.
00:28:39: Du hast gesagt, ADHS ist stärker verbreitet bei Buben.
00:28:46: Und ich bin auf Linkedin und dort lese ich jeden Tag zwei, drei Mal.
00:28:52: Ich weiß nicht, ob das wirklich Fachleute sind, die das schreiben, aber ich lese das immer wieder.
00:28:58: dass Buben eigentlich nicht mehr ADHS hätten als Mädchen, sondern dass die Diagnose-Instrumente eben nur auf Buben ausgerichtet seien.
00:29:11: Und dass Mädchen ADHS eben anders artikulieren würden und dass man das nicht erkennt.
00:29:18: Also meine Frage an dich wäre, wie stark differenziert ihr?
00:29:24: in euren diagnostischen Instrumenten zwischen Buben und Mädchen?
00:29:27: und zweitens, was sagst du beispielsweise zu ADHS dazu?
00:29:31: Also es hat natürlich auch eine bestimmte Wahrheit in dieser Aussage, also dass man die Störungen, also Neurodiversitäten sagt man ja auch heute, ADHS, auch Autismus, weil sie dann erstmal beobachtbar jedenfalls häufiger sind beim männlichen Geschlicht.
00:29:48: Hat man diese ganzen diagnostischen Instrumente auch hauptsächlich mit Jungs entwickelt, hauptsächlich, sagen wir, diese Stichproben waren dann halt fünfmal so viele Jungen wie Mädchen und dazu hat man diese Normen definiert.
00:30:01: Und tatsächlich gibt es natürlich gerade im Bereich auch im Autismus Spektrum jetzt die Bemühungen, die Diagnostik mehr anzupassen auf die Mädchen, wir verwenden dann nicht an.
00:30:13: andere Instrumente, aber man guckt, wie schwerpunktmäßig es dann vielleicht bei weiblichen Geschlecht etwas anders ausgeprägt sein könnte, damit man nicht Diagnosen verpasst.
00:30:24: Tatsächlich ist es so, gerade bei dem Thema Autismus-Spektrum hat man viele Diagnosen verpasst.
00:30:31: Warum?
00:30:32: Weil Mädchen durch die Sozialisierung, die wir vorher beschrieben haben, von Anpassung und so weiter, wenn sie Asperger sind, sich dann trotzdem mehr anpassen können, weil sie viel mehr noch diese sozialen Normen lernen und das dann weniger auffällt.
00:30:48: So dass es tatsächlich so ist, wir müssen unterschiedliche Cut-off-Werte, macht man ja auch bei verschiedenen Instrumenten für Jungen und Mädchen, das sind ja dann auch immer nur Durchschnittswerte verwenden, das ist das eine.
00:31:00: Beim Mädchen zeigt sich das ADHS ja auch manchmal als ADS, dann sind sie weniger hyperkinetisch, aber mehr Aufmerksamkeit.
00:31:09: Das ist schon uns bewusst.
00:31:11: Trotzdem bleiben gewisse Unterschiede, muss man auch sagen.
00:31:14: Es ist nicht die ganze Wahrheit, dass das jetzt alles nur falsche Diagnostik ist.
00:31:18: Man ist daran die Diagnostik jetzt zu verfeinern, damit man weniger vom weiblichen Geschlecht verpasst.
00:31:24: Aber grundsätzlich ist es auch nicht so anders.
00:31:27: Es ist wie in der somatischen Medizin, weiß man ja jetzt auch, dass zum Beispiel ... im Herzinfarkt viel mehr verpasst werden bei Frauen, weil sich das anders äußert.
00:31:34: Also die Gendermedizin ist in dem Bereich schon sehr wichtig, dass man wirklich guckt, wie äußert es sich im Durchschnitt bei Mädchen und bei Jungen.
00:31:42: Aber es bleibt schon so, dass gewisse Auffälligkeiten und das hat wahrscheinlich auch genetische Gründe, weil ja auch andere bestimmte Störungen häufiger sind beim männlichen Geschlecht.
00:31:54: Das hat auch mit den Spermien und den Eizellen zu tun und das ja auch mehr.
00:31:59: Kinder kurz nach der Geburt etwas mehr sterben.
00:32:02: Aus die Vulnerabilität.
00:32:04: Ja, die Vulnerabilität ist auch aus genetischen Gründen etwas höher beim männlichen Geschlecht.
00:32:09: Und man hat das letztlich noch nicht geklärt.
00:32:12: Und wie bei sehr, sehr vielen Sachen wissen wir immer noch nicht so ganz, was ist Nature und was ist Nurture, das vermischt sich ja immer.
00:32:18: Und vielleicht ist es auch nicht so wichtig, wir müssen uns über den Teil unterhalten, den wir beeinflussen können und wie wir das möglichst gut erkennen können, damit wir allen Geschlechtern helfen können.
00:32:28: Du hast vorhin, und ich möchte jetzt den letzten Punkt anschneiden.
00:32:32: Die Zeit ist schon bald rum.
00:32:34: Du hast vorhin gesagt, man übersieht vieles bei Mädchen.
00:32:38: Aber ich möchte jetzt einen Punkt anschneiden, der, denke ich, die Zuhörerinnen und Zuhörer auch sehr beschäftigt und mich persönlich auch bei den Buben.
00:32:49: die häufig cool wirken, locker wirken, bei denen verpasst man ja vielleicht auch einiges.
00:32:56: und ich möchte jetzt zum Schluss noch das Game ansprechen.
00:32:59: Ich denke... Das wird gegenüber der Belastbarkeit oder der Belastung der Mädchen wird das Game häufig weniger angesprochen, weil es nicht per se auffällt, sondern es fällt erst auf, wenn vielleicht die Schulleistungen sinken, wenn sie fläfrig werden oder wenn sie vielleicht sogar süchtig werden, also ein und dreißig Prozent der Jungen spielen ja.
00:33:24: mehrere Stunden pro Tag solche Videogames und drei bis sechs Prozent sind offenbar süchtig.
00:33:31: Kannst du aus deiner Perspektive etwas dazu sagen, wie man sich mehr diesem Thema widmen könnte?
00:33:41: Ja, ich glaube, das ist ein ganz violentes Thema.
00:33:44: Jetzt wird über Social Media bei Mädchen geredet und das darf man natürlich nicht vernachlässigen, aber gut, dass wir jetzt das andere das online geben, was ja häufiger bei den jungen Auftritt ansprechen.
00:33:54: Und ich glaube, es ist ein ganz virulentes Thema.
00:33:56: Es ist eine der häufigsten Gründe, warum Jugendliche, männliche Jugendliche beeinträchtigt sind im Sozialleben, in den Schulleistungen, eben im Schlaf und so weiter.
00:34:07: Und auch eine der häufigsten, glaube ich, Erziehungsprobleme, mit denen wir konfrontiert sind, dass die Eltern nicht wissen, was machen und dass sie auch viel zu lange das vernachlässigen und dass dann, wenn das Kind schon im Brunnen ist und das schon das Kind schon süchtig erst dann die Hilfe gesucht wird.
00:34:24: Also ich finde, diese Eltern sind damit noch sehr alleine gelassen.
00:34:28: Wir müssen viel früher Eltern Anleitung bekommen, wie sie damit umgehen sollen.
00:34:35: Es braucht auch Regeln, also welche Spiele für welches Alter geeignet, wie kann man auch irgendwelche Handys so technisch für Kinder.
00:34:45: einfach für die Eltern zur Verfügung stellen, wo bestimmte Sachen auch nicht drauf sind, die nicht gut sind.
00:34:50: Das hat ein sehr hohes, das gerade das Onlinespiel, hat ein sehr hohes Suchtpotenzial und ich mache mir große Sorgen.
00:34:57: Weil das sind noch viele Prozent, die süchtig sind.
00:35:00: Das ist eine hohe Zahl.
00:35:02: Und ich finde, wir müssen wirklich aufpassen.
00:35:04: Es fühlt häufig dann zu Schulabsentismus und auch Depression und sozialem Rückzug.
00:35:09: Das ist eine Gruppe, die uns Sorgen machen muss.
00:35:11: Aber eigentlich müssten wir ja auch bedenken, was das für die... Warum, wenn die Frauen, die Jungen sind ja eher die Jungen, es sind auch Mädchen, die gem süchtig werden, aber es sind ja Frauen, die Jungen, was das eben... für sie bedeutet, warum sie sich so viele Stunden diesem Game widmen, weil sie ja dort auch den Erfolg bekommen, den sie in der Schule nicht bekommen, in der Berufslehre nicht bekommen, weil sie dort vielleicht frustriert sind, etwas abgehängt sind und dass sie dort Fehler machen dürfen, um diese Fehler korrigieren können und dann trotzdem Belohnung erhalten.
00:35:53: Ich denke, das müsste man eben auch aufnehmen, nicht nur das Gamen grundsätzlich verbannen, sondern sich zuerst auch fragen, warum denn hat dieses Gamen eine so große Bedeutung für die Jungen oder für manche Knaben, sag ich mal, weil sie eben hier schnelle Erfolgserlebnisse haben, die sie sonst in der Schule nicht haben und dass sie da eben auch keine Verletzlichkeit zeigen müssen, was sie vielleicht im realen Leben zeigen müssen.
00:36:26: Ja,
00:36:27: das ist sehr gut, was du sagst und ich glaube, wenn wir jetzt darüber reden, was kann man denn machen?
00:36:32: Was hat man in der Hand über das ganze Thema?
00:36:35: Belastete Jungs, coole, belastete Mädchen und coole Jungs und umgekehrt.
00:36:40: Also, wenn sie ... Sie haben ihre Gründe.
00:36:44: Das hat ein hohes Suchtpotenzial, was heißt, da können auch welche reingeraten, die nicht sehr psychisch belastet sind.
00:36:50: Aber natürlich sind die anfälliger, die wenig Erfolgserlebnisse haben.
00:36:55: und deswegen die Prävention bei all diesen Themen muss ja ganz früh ansetzen.
00:37:00: Und da sehe ich auch bei den Mädchen, die ja jetzt mehr Depression, mehr Essstörungen, mehr Belastungssymptome haben, auch, weil wer ist ... auf Social Media beeinflusst war von Influencerinnen, die dann das Körperbild so und so und die Erfolge so und so versprechen, auch die, die weniger Selbstwertgefühl haben in Bezug auf die eigene Person, auf den eigenen Körper und so weiter.
00:37:24: Das heißt, diese frühe Intervention Wie können wir unsere Kinder so fördern, dass sie Erfolgserlebnisse bekommen?
00:37:35: Zu Hause im Kindergarten, in der Schule und Resilientwerten gegen die neuen, modernen Herausforderungen.
00:37:41: Wir hatten früher auch welche.
00:37:42: Da gab es dann diese Drogen und so weiter.
00:37:44: Immer wieder neue Herausforderungen für Jugendgenerationen, dass sie da stärker werden und dass wir nicht immer nur gegen die Online-Sucht kämpfen, sondern die Prävention in die Hand nehmen.
00:37:56: Das ist schon richtig.
00:37:58: Letzte Frage an dich, Dagmar.
00:38:02: Wäre die Prävention auch eine Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiatrie?
00:38:07: Ja, wir haben tatsächlich bis jetzt uns diese Aufgabe höchstens mal ein bisschen selber gegeben und haben uns gar nicht, wir haben ja auch nicht die Mittel.
00:38:17: Wir haben uns einmal an Präventionsanstrengungen beteiligt, wenn das zum Beispiel von der Schulpsychologie oder von schulärztlicher Seite oder so, da ist schon präventiv versucht, Vorträge zu erhalten und so weiter.
00:38:29: Aber jetzt haben wir auch Bändengelder bekommen für das Thema, also es ist jetzt hier in Zürich, für das Thema Prävention und ich finde... Wenn die Kinder- und Jugendpsychiatrie Prävention macht, anstatt immer nur das Kind zu behandeln, wenn es schon im Brunnen gefallen ist, dann müssen wir das aber in Kooperation machen mit Schule, mit Erziehungswissenschaft, damit es auch Hand und Fuß hat.
00:38:51: Weil ich weiß, noch eine Zeit lang hat man immer gedacht, unsere Prävention ist so eine Art einfach nur Früherkennung.
00:38:57: Schickt uns alle möglichst früh, wenn sie depressiv sind, und dann waren wir überfordert und hatten Wartelisten, können das gar nicht schaffen.
00:39:04: Es geht ja nicht nur um ... diese Frühintervention, Früherkennung, Sekundärprävention, wenn jemand schon ... die ersten Anzeichen der Depression hat, sondern was brauchen jüngere kleine Kinder, um sich gut zu entwickeln und stark zu werden und auch gegen diese modernen Herausforderungen, die es jetzt online gibt, auch resilient zu werden und gegen diese Stressgesellschaft auch resilient zu werden oder in dieser Stressgesellschaft gut mitmachen zu können und sich abgrenzen zu können, was man da halt so braucht.
00:39:35: Das müssen wir zusammen überlegen.
00:39:37: und ja, ich finde, wir haben da eine Rolle unbedingt.
00:39:40: Schön gesagt, Dagmar.
00:39:42: Herzlichen Dank.
00:39:43: Das wäre auch meine Vorstellung.
00:39:45: Wir sind jetzt schon am Schluss unserer
00:39:48: Episode.
00:39:49: Schade
00:39:49: eigentlich.
00:39:51: Ich danke dir sehr herzlich, Dagmar, dass du gekommen bist.
00:39:54: Ich danke dir sehr herzlich für deine pointierten und sehr wichtigen Äußerungen.
00:40:00: Es war heute die siebzehnte Episode des Podcasts.
00:40:06: Die letzte Episode meines Podcasts, ich werde dann nachher eine Pause machen und überlegen, was ich weitermachen will, ob ein Podcast weiter oder nicht, die wird Mitte November stattfinden.
00:40:20: Sie bildet dann den Abschluss eben dieser insgesamt achtzehn Episoden, die.
00:40:29: der letzte Podcast wird dann ein Live-Podcast sein in Saarinen.
00:40:35: Im Rahmen einer Tagung Berufsbildung als Talentschmiede, also es geht dann um die Berufsbildung und um junge Leute, die sehr erfolgreich sind in der Berufsbildung.
00:40:47: Und ich werde da ein Gespräch führen mit Christian Schäli, Bildungsdirektor des Kantons Obwalden und Präsident der Stiftung SwissKills und der Moderator wird Dominic Dille sein.
00:41:01: Übrigens ist es Karin Anderhalden, die Gründerin und Leiterin der Grundacherschule in Sarnen, Privatschule, die sehr bekannt geworden ist, die das Ganze initiiert hat.
00:41:14: Also, liebe Zuhörerinnen, merken Sie sich den nächsten Termin.
00:41:19: Vielleicht können Sie sich für diese Tagung, Sie finden am fünfundzwanzigsten Oktober statt, noch anmelden.
00:41:27: Ich danke fürs Zuhören.
00:41:29: Und bis Mitte November.
00:41:31: Ich freue mich, wenn Sie wieder dabei sind.
00:41:34: Danke für die Einladung, dass ich dabei sein durfte.
00:41:36: Danke,
00:41:36: dass du gekommen
00:41:37: bist.
00:41:46: Dankeschön.
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